Das Motto des
festivals liegt in der luft |
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In der bildenden
Kunst wie auch in den darstellenden Künsten ist seit vielen Jahren
eine Formenvielfalt zu beobachten, die die Grenzen zwischen den verschiedenen
Metiers weit hinter sich lässt. Bildende Künstler arbeiten an
Performances mit Darstellern oder an Installationen mit komplexen Tonspuren;
zeitgenössische Theatermacher und Choreografen lassen die Musiker tanzen,
die Tänzer sprechen und die Schauspieler singen. Wenn überhaupt,
reagieren die traditionellen Ausbildungsinstitutionen darauf aber nur sehr
zögerlich; viele können es nicht oder wollen ihre Studierenden
vor dieser Komplexität schützen, auch wenn sie längst Wirklichkeit
gewordenen ist. Wer sich heute auf die Vernetzung der aktuellen Kunstformen
vorbereiten will, muss die Gelegenheit haben, intensive Kooperationsformen
zu erarbeiten und sich dabei mit den Gesetzen des jeweils anderen Metiers
nicht nur oberflächlich vertraut machen. Das erste "Festival Junger Talente 2000" stand unter dem Motto "Dialog". Daran waren drei Hochschulen beteiligt: die Hochschule für Gestaltung in Offenbach (HfG), die Städelschule in Frankfurt und die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Frankfurt. Das Festival bestand aus einer Präsentation eigener Arbeiten der Studierenden und dem gegenseitigen Kennenlernen der anderen Hochschulen. Es entsprach einem zusammengelegten Rundgang von HfG und Städel; die Tanzperformances der Frankfurter Musikhochschule waren ins benachbarte Capitol ausgelagert. Es war ein wichtiger erster Schritt bei der Kontaktaufnahme zwischen den verschiedenen Hochschulen. In diesem Jahr haben sich die Verantwortlichen entschlossen, gemeinsame Projekte anzuregen: Als vierte Ausbildungsstätte wurde das Institut für Angewandte Theaterwissenschaft und damit auch eine Universität (Justus Liebig Universität, Gießen) hinzugezogen. Ein Jahr lang gab es immer wieder in allen drei Städten gemeinsam organisierte Treffen der Studierenden, um miteinander bekannt zu werden und um bei gegenseitigen Besuchen Einblicke in die Besonderheiten der Ausbildungen an den anderen Hochschulen zu bekommen. Dabei tauchten viele Fragen auf: Warum haben die Tänzer sowenig Zeit? Wie wirken die Gesten der Sänger auf die Theaterwissenschaftler? Was halten die bildenden Künstler vom Umgang mit Licht auf der Bühne? Warum gibt es bei der HfG so viele Parties? Und warum halten sich die Städelschüler so bedeckt? Und das schon einmal vorweg: |
Alle Fragen haben ihre Antworten in der jeweiligen Kunstform und der damit
verbundenen, vorherrschenden Praxis. Ein wesentlicher Schwerpunkt liegt in diesem Jahr auf der Kooperation zwischen den Studierenden der verschiedenen Ausbildungsstätten. Es geht uns nicht um ein funktionales oder illustratives Verhältnis zwischen den Sparten, sondern eher darum, in einer kooperativen Arbeit das jeweilig eigene Metier stark zu machen; also nicht Städelschüler zur Prospektmalerei in einer Theaterproduktion zu bewegen; Kooperation ist auch als ein Argument gegenüber den darstellenden Künsten (Theater, Tanz, Musik) zu verstehen, sich mit den Stärken der bildenden Kunst auseinanderzusetzen und umgekehrt: bildende Künstler mit Überlegungen von Dramaturgie und Zeit zu konfrontieren. Die Studierenden wurden außerdem angeregt, mit ihren Arbeiten auf die Raumarchitektur der Offenbacher Messehallen zu reagieren. Drei Workcamps in der Messe boten zwischen Juli und November dazu Gelegenheit. Bereits ein Drittel der mehr als 100 Studierenden, die hier über 60 Arbeiten, Projekte, Installationen, Inszenierungen zeigen, sind an Kooperationsprojekten beteiligt. Teilweise liegen diese Kooperationen quer zu den Ausbildungsschwerpunkten der jeweiligen Institute (wenn ein HfG Student die Musik zu einer ATW-Inszenierung macht), teilweise greifen die Kooperationen auch über die Landesgrenze hinaus, wie in zwei Projekten mit Studierenden der Akademie der Künste, Wien: "Theatermodelle" zusammen mit Studenten aus Gießen (ATW) und "Alpha Kanal" zusammen mit Städelschülern. Die Internationalität der Beiträge verdankt das Festival auch dem hohen Anteil ausländischer Studierender an der Städelschule. Wenn auch der Kooperationsgedanke nicht schon in allen Fällen umgesetzt ist – zunächst widerspricht er ja durchaus den traditionellen Abgrenzungswünschen und manchmal auch dem verordneten Einzelkämpfertum an den Hochschulen – ist mit dem diesjährigen Festival doch ein wichtiger Anfang in dieser Richtung getan. Das steht im Kontext der gerade begründeten Hessischen Theaterakademie, die ähnliche Ziele verfolgt und entspricht einer starken Tendenz in der bildenden Kunst in den letzten Jahren, kreative Strategien – jenseits des Objekt- und Bildhaften – auch auf kommunikative Prozesse anzuwenden. Das Motto des diesjährigen Festivals liegt in der Luft. |
Die
Lehrenden, die diesen Prozeß |
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Heiner Goebbels, Oktober 2003 |